Mittwoch, 6. Februar 2008

CLINTONS SUPER-TUESDAY-SIEG ?

Mr. Modern gegen Mrs. Mitte
Von Gabor Steingart, Washington
Hillary Clinton hat am Super Tuesday einen Arbeitssieg errungen - der eines zeigt: Barack Obama hat die Mitte der US-Gesellschaft noch nicht erreicht. Stars wie Robert de Niro stimmen für ihn. Doch Durchschnittsbürger wählen Realitätssinn und nicht die große Versprechung.
Washington - Barack Obama besitzt mächtige Verbündete: Der Kennedy-Clan leiht ihm seinen Heiligenschein. Die Medien schlagen seine Trommel. Die jungen Leute erklatschen ihm Kultstatus.
Barack Obama aber hat auch einen mächtigen Gegner, den er bislang nicht hat bezwingen können: die Mitte der US-Gesellschaft. Sie weigert sich in ihrer Mehrheit, seiner Botschaft von Wechsel und Hoffnung zu folgen.
DEMOKRATEN AM SUPER TUESDAY: JUBEL, TRUBEL, PARTYLAUNE
Es war eine Wahl entlang der Klassengrenze. Obama gewann in der vergangenen Wahlnacht vor allem die Menschen mit mehr als 150.000 Dollar Jahresgehalt. Unterhalb eines Jahresgehalts von 50.000 Dollar aber führt Clinton die Truppen an. Er zog die Akademiker auf seine Seite, sie die Arbeiter. Er begeisterte die Jugend, sie die Senioren.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Vor allem an den einfachen Menschen beißt sich Obama bisher die Zähne aus. In der Mitte der Gesellschaft, wo Realitätssinn und Behäbigkeit sich nicht ausschließen, neigt man nicht zu großen Aufgeregtheiten. Die mit Pathos vorgetragene Botschaft von der "neuen Seite im Geschichtsbuch", die jetzt aufgeschlagen werden müsse, erzielt hier nur eine schwache Wirkung.
Diese Menschen sind nicht aufgewühlt, sie sind besorgt. Sie sind unzufrieden, aber nicht revolutionär gestimmt. Die Menschen, von denen hier die Rede ist, begegnet man in den US-Zeitungen nur selten, im wahren Leben dafür umso häufiger. Es sind Politikskeptiker wie jener 50-jährige Kassierer im Buchgeschäft von Iowa City: "Ich wähle", sagte er am Tag vor der Wahl, "aber ich wähle den nächsten, der nicht bei mir an der Haustür klingelt."
Es sind politische Realisten wie jener Klempner, mit dem ich in Washington DC ins Gespräch kam: "Change? Where is the Beef?" Was bringt mir der Wandel?
Es sind Frauen wie Pamela, 45, die von einem Politiker mehr erwarten als eine flotte Rede: "Ich bin eine Afroamerikanerin und diene in der US-Armee", schrieb sie mir in einer E-Mail, "Obama sollte acht Jahre warten und antreten, wenn er mehr Erfahrung und mehr Reife besitzt. Mit dem Predigen von Hoffnung lassen sich keine Rechnungen bezahlen."
Für Millionen ist Obama inspirierend, aber für Millionen andere ist er zu jung, zu smart, zu glatt. Er hat sein Leben ja kaum gelebt, und da will er schon mit dem Hauptpreis nach Hause gehen.
Mag ihn der modernere Teil des Landes als Popstar feiern, noch hört die Mehrheit Countrymusik.
Mögen die Havard-Professoren Obama zur Wahl empfehlen, in Massachusetts, dem Bundesstaat rund um den Harvard-Campus, erhielt Clinton die Mehrheit.
Sein großer Unterstützer ist Edward Kennedy, für sie wirbt Krimi-Bestseller-Schreiber John Grisham. In Kalifornien sind die Schönen und die Reichen für ihn auf die Bühne gestiegen, darunter auch Robert de Niro. Ihr aber gelang es, Robert Normalo von sich zu überzeugen.
Dies ist kein Wahlkampf links gegen rechts. Dies ist auch eine historische Auseinandersetzung, in der die gesellschaftliche Mitte sich zu behaupten versucht. Diese Mitte schrumpft, in Europa und auch in Amerika. Die Städte wachsen, die Provinz verkleinert sich. Die US-Industriearbeiter stellten vor nicht allzu langer Zeit die Mehrheit der Arbeitsbevölkerung - jetzt nicht mehr. Die klassische Familie gibt es noch, aber neben ihr haben sich Singles und Alleinerziehende einquartiert. Die Weißen sind in der Mehrheit, aber das anhaltende Bevölkerungswachstum verdankt Amerika den Asiaten, den Lateinamerikanern und den Afro-Amerikanern.
Bisher galt unter Wahlstrategen ein ehernes Gesetz: Viele Minderheiten ergeben keine Mehrheit. Die Mitte entscheidet.
Vielleicht wird diese Präsidentenwahl die letzte sein, bei der dieses Gesetz noch gilt.

Quelle : www.spiegel.de

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