Dienstag, 26. Februar 2008

TV-Debatte in Texas: Clintons Angriffe auf Obama ohne Wirkung

Hillary Clinton sagt im Eingangswort, sie sei vor 36 Jahren erstmals in Austin gewesen, habe Wähler registriert, und „Menschen kennengelernt, die mich ein Leben lang begleitet haben“. Barack Obama blickt auf, zieht die Brauen hoch und schaut krumm. Sein Gesicht kann einen unangenehm befremdeten Ausdruck annehmen, von der Art ehrgeiziger Hochbegabter, die leiden, wenn jemand den Unterrichtsstoff nicht versteht. Dies ist ein solcher Moment, und man fragt sich, was daran ehrenrührig sein könnte, dass Clinton alte Bekannte in Texas hat. Obama wirkt in der Sekunde eng und überambitioniert. Zu seinem Glück blendet die Kamera ihn in der nächsten Sekunde aus.
Minuten später wird er über Hillary Clinton sagen: „Wir waren Freunde vor dem Wahlkampf, und wir werden es nach ihm sein.“ Clinton dreht sich zu ihm, schaut ihn regungslos an, öffnet sachte den Mund und verharrt so, in kaum wahrnehmbarem Protest. Man glaubt solche Geste zu kennen. Wenn ein Mann seiner Frau jähzornig über den Mund fährt, heftiger Streit ausbricht, beide danach einer Einladung folgen und dort der Mann von Ahnungslosen aus anderem Anlass gelobt wird – dann sieht man solche Mundbewegung. Das Gefühl doppelter Zurücksetzung, die Unfairness des scheinbar schönen Augenblicks, die Verletztheit, schweigen zu müssen, weil ein „Ja, aber...“ folgen zu lassen die Frau auch noch schlecht dastehen lassen würde, gleich wie berechtigt der Einwurf wäre.
Es ist die erste und letzte Debatte der Demokraten in Texas vor der entscheidenden Urwahl am 4.März. Es ist eine unglaublich wichtige Debatte. Clinton zahlt Obama deshalb das taktische Lob, das er auf ihre Kosten austeilte, zurück. Am Ende der Debatte werden beide nach ihrer bisher schwersten Krise gefragt. Obama verweist auf sein Leben und insinuiert: Als Schwarzer zum Spitzenrenner um das Weiße Haus aufzusteigen war eine einzige Krisenbewältigung. Clinton holt Luft: „Ich glaube, hier weiß wohl jeder, dass ich so einige Krisen und Schläge in meinem Leben hinter mir habe und...“Und wird im aufbrandenden Beifall ihres Lächelns nicht mehr Herr. Obama, der Politmozart; ich, die Geprüfte. „Ich bin so dankbar für die Gedanken und Gebete unzähliger Amerikaner.“ Sie strahlt, und schließt die Augen, und strahlt und strahlt, als habe sie nicht auf Bill Clintons Affäre mit der Hospitantin angespielt, sondern darauf, dass sie den ganzen Nahen Osten befriedet habe. Aber ihre stoische Haltung in der Lewinsky-Affäre ist der Grund für viele Frauen, sie zu wählen. Sie hat durch Schweigen mehr gewonnen als durch Reden. Die Strafe für ihren Mann folgt, und er muss dabei mithelfen. Kürzlich befragt, welche Rolle Bill in ihrem Weißen Haus spielen werde, sagte sie: „Oh, daran gibt es keinen Zweifel. Ich bin Präsidentin. Ich entscheide.“ Sie sagte das mit einem Auflachen, das zwischen flotter Natürlichkeit, Zufriedenheit mit dem Leben und einem Anflug süßer Genugtuung changierte.
Jetzt auf dem Podium in Austin/Texas bremst Clinton ihr Lächeln und relativiert das Gesagte. Sie treffe Menschen, gegen deren Schicksal die Schläge, die sie selber habe einstecken müssen, belanglos seien. Neulich der Soldat, dem im Irak das halbe Gesicht weggerissen wurde...
Clinton gibt das Lob zurück
Dann zahlt sie Barack Obama dessen taktisches Lob zurück, das ihn zu Debattenbeginn so unfair gut aussehen ließ. „Und wissen Sie“, sagt Clinton aus heiterem Himmel, „gleichgültig was auch geschieht, ich fühle mich geehrt – wirklich tief geehrt! –, hier neben Senator Obama sitzen zu dürfen,“ ihm bleibt nichts anderes übrig, als ihr die Hand zu reichen, mit nicht ganz glücklichem Mund – „absolut geehrt!“, fährt sie gnädig fort und sieht aus wie die Filmdiva, der eine Rivalin endlich den Oscar konzediert. „Was auch immer passiert, wir werden uns gut stehen.“ Obama blickt unbehaglich ins Ungefähr. „Wir haben jede Unterstützung unserer Familie und unserer Freunde, und ich hoffe nur, dass wir dasselbe auch vom amerikanischen Volk sagen können. Darum geht es bei dieser Wahl.“ Es wird nicht ganz klar, was sie damit meint. Aber mit diesen Sätzen ist die Debatte zu Ende.
Und was lernten die Texaner, die am 4.März über Hillary Clintons Schicksal entscheiden? „Gewinnt Hillary Texas und Ohio, wird sie nominiert“, sagte Bill Clinton gestern in Texas. „Wenn ihr nicht liefert, dann glaube ich nicht, dass sie es werden kann.“ Der Ehemann schaltet für seine Ehefrau die Ampel auf Gelb. Auch ein seltsamer Vorgang.
Die Texaner lernten, dass sich Clinton und Obama bei der Reform der Krankenkassen darum streiten, ob sämtliche Amerikaner versichert werden sollen, oder ob Missbrauch durch Zugangsschranken verhindert werden muss. Sie lernten, dass Obama den wesentlichen Unterschied zu Clinton darin sieht, wie man Wandel in Washington durchsetze – durch eine Wählerkoalition „gegen die Sonderinteressen“, gegen die großen Lobbygruppen. Solche Wählerkoalition komme nur zustande, wenn man die Amerikaner nicht nur für begrenzte Zwecke mobilisiere, sondern sie „inspiriere“, über Hautfarbe und Parteigrenzen und Regional-Egoismen hinweg. „Hillary hat 1993 bei der Reform der Krankenkasse sogar Demokraten von den Beratungen ferngehalten, solche, deren Ideen ihr nicht passten.“ Das sei dieses alte Denken.
Texaner lernten, dass es zwischen Clinton und Obama Animositäten gibt
Die Texaner lernten also, dass es zwischen Clinton und Obama doch ziemliche Animositäten gibt. Der CNN-Moderator fragte, wie es komme, dass beide in ihren Reden neuerdings so aufeinander herumhackten. Zum Beispiel sage Hillary, Obama kupfere Passagen seiner Reden vom schwarzen Gouverneur von Massachusetts ab? Den Plagiats-Vorwurf hatte Clinton am vergangenen Montag breit in die Medien gestreut – im Versuch, Obamas größte Stärke in Zweifel zu ziehen, seine Redebegabung. Nun setzt sie nach: „Es sollten schon die eigenen Worte sein, ja. Fremde Worte zu benutzen ist kein Aufruf zum Wandel, sondern Fotokopieren. Wir müssen das Land für sehr spezifische Ziele einen. Da reicht es nicht, allgemein zu sagen, seid nett zueinander.“
Fotokopieren! Obama bekommt einen harten Unterlippenmuskel und meldet sich mit metallenem Blick. „Der Gouverneur ist Ko-Chef meines Wahlkampfstabes. Er regte an, dass ich seine Passagen benutze. Mir Sätze vorzuhalten, die mein Ko-Stabschef mir mit dem Wunsch gab, dass ich sie verwende – liebe Güte. Sind wir jetzt in der Albernheitsphase der Politik?! Die Menschen wollen wissen, wie sie neue Jobs bekommen, wie Colleges bezahlbar werden!“ Diesmal sieht Clinton unbehaglich aus. „In meinen Reden – und ich muss zugeben: Einige sind wirklich gut!“ – Applaus, Clinton lächelt noch unbehaglicher – „spreche ich nicht nur über Hoffnung und Inspiration, sondern auch über einen Steuerfreibetrag für College-Familien, 4000 Dollar, jedes Jahr, für jeden Studenten, gegen deren Teilnahme an einem nationalen Freiwilligenjahr...“ Und so weiter. Der Punkt ging an Obama.
Die Texaner lernten, dass beide Bewerber ihr Votum für einen Grenzzaun zu Mexiko bereuen. Sie lernten, dass beide Spanisch nicht zur zweiten Amtssprache machen wollen. Sie lernten, dass beide die Beziehungen zu Kuba gern normalisieren würden, sofern Raul Castro nachprüfbar die Freiheit für Kubaner ausweite. Sie lernten, dass Obama gern „Milliarden Dollar, die in den Irakkrieg fließen, hier bei uns in Brücken und Krankenhäuser investieren würde“. Sie lernten auch von Obama: „Beim Irak habe ich das richtige Gespür gehabt, das ein Oberkommandierender braucht, Clinton hat geirrt. Neulich sprach ich einen Hauptmann, dessen Einheit mit nur 24 statt 39 Mann nach Afghanistan ging, 15 wurden im Irak gebraucht. Er bekam auch nicht genügend Waffen. Die mussten für sich Talibanwaffen erbeuten! Ich habe Irak nicht um der Ablehnung willen abgelehnt, sondern weil es von Afghanistan ablenkt, und ich hatte recht.“
Wie sich die Texaner aber nun entscheiden sollen, ist nach der Debatte so wenig zu beantworten wie vor ihr. Beide Bewerber haben ihre Stärken. Beide vertreten wichtige Gruppen der Demokratischen Partei. Ein konservativer Journalist warf kürzlich nachdenklich die Frage auf, was es für die Demokraten bedeute, dass ihre beiden prägenden ideellen Flügel, die Frauen- und die Bürgerrechtler, 2008 unerwartet gegeneinander antreten müssen. Damit hätten sie nie gerechnet. Er fand keine Antwort darauf.
Die Texaner wohl auch noch nicht. Die Umfragen sehen dort Hillary Clinton im Schnitt bei 48 Prozent, Obama bei 46.
Auslandsamerikaner stimmen für Obama
Barack Obama konnte außerdem einen weiteren Erfolg verbuchen. Er gewann bei einer Vorwahl der Auslands-Amerikaner. Der schwarze Senator erhielt bei einer Abstimmung in 30 Ländern 65,6 Prozent der Stimmen, seine Rivalin Hillary Clinton lediglich 32,Prozent, teilte die demokratische Partei mit. Abgestimmt werden konnte per Fax und per Post. Er wurde nicht gesagt, wie viele Wähler teilnahmen.
Allerdings ging es lediglich um vier Delegierte, alles in allem brauchen Obama oder Clinton beim Parteitag der Demokraten im Spätsommer 2025 Delegierte, um als Präsidentschaftskandidat nominiert werden. Obama hat bei bisherigen Vorwahlen bereits über 1300 Delegierte für sich gewinnen können.
Quelle: www.msn.de

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