Montag, 18. Februar 2008

Juristen erstatten Anzeige gegen Regierung

Die DVD, die der BND in Liechtenstein aufgetrieben hat, könnte für den Geheimdienst und die Bundesregierung ein gerichtliches Nachspiel haben. Zwei Berliner Anwälte erstatteten Anzeige wegen Untreue und Anstiftung zur Ausspähung von Daten und warnen Betroffene vor einer Selbstanzeige.

Die Steueraffäre um Post-Chef Klaus Zumwinkel und 1000 weitere Bundesbürger könnte für die Bundesregierung unangenehm enden. Zwei Berliner Anwälte haben nach Informationen von WELT ONLINE Strafanzeige gegen die Bundesregierung und den Bundesnachrichtendienst (BND) erstattet. Ihr Vorwurf: Bundesregierung und BND haben eine Untreue begangen und zur Ausspähung von Daten angestiftet. Die fünf Millionen Euro teure DVD des geheimen Informanten ist womöglich nicht verwertbar, die Taten verjährt.

„Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik ein wohl einmaliger Vorgang, dass sich die Regierung mit einem Straftäter zusammentut, um über 1000 eigene Bürger verfolgen zu können“, sagte der renommierte Berliner Jurist und Strafverteidiger Ferdinand von Schirach. Zusammen mit seinem Kollegen verfasste er die Klageschrift, die heute Morgen der Staatsanwaltschaft in Berlin übermittelt wurde und WELT ONLINE vorliegt. „Ich denke, dass sehr gute Aussichten bestehen, dass zumindest das Bundesverfassungsgericht sagen wird, dass der Staat nie so handeln darf. Dann wäre die DVD wertlos“, so von Schirach weiter. Es könne nicht angehen, dass die Bundesregierung einem Straftäter Geld bezahlt, sich sehenden Auges in die Nähe von Straftaten rücke und dann später behaupte, alles sei verwertbar.
Damit stellen sich die beiden Juristen gegen die Auffassung der Bundesregierung, die den Erwerb der DVD mit den brisanten Informationen für verwertbar hält. Man stelle sich die Welle der Empörung in Deutschland vor, wenn die Bundesregierung dies nicht gemacht hätte, hatte Finanzminister Peer Steinbrück gestern das Vorgehen gerechtfertigt.
Während der Erwerb der DVD von dem unbekannten Informanten nach Angaben von Rechtsexperten noch zu rechtfertigen ist, ist die Verwertbarkeit vor Gericht umstritten. In der Klageschrift heißt es: „Den Mitarbeiter einer Bank eines anderen Staates mit einem hohen Geldangebot zu korrumpieren, ist dabei nicht nur moralisch fragwürdig. Vielmehr kommt auch die Verwirklichung einer ganzen Reihe von Straftatbeständen des deutschen Strafgesetzbuches in Betracht.“
Auch der Aufruf der Bundesregierung, Steuersünder sollten mit einer Selbstanzeige staatsanwaltliche Ermittlungen vermeiden, ist nach Auffassung von Schirachs eine untaugliche Finte der Steuerfahnder. „Aus strafrechtlicher Sicht hat eine Selbstanzeige zu diesem Zeitpunkt überhaupt keinen Sinn“, sagt der Anwalt. Nach deutschem Steuerrecht schütze eine Selbstanzeige nur dann vor strafrechtlicher Verfolgung, wenn der Fall noch nicht bekannt ist. Das sei bei den 1000 Steuertricksern auf der DVD jedoch nicht mehr der Fall, so die Meinung der Steuerrechtsexperten. Eine Selbstanzeige sei daher sinnlos.
Den beiden Anwälten geht es in ihrer Klageschrift jedoch nicht allein um den Fall des zurück getretenen Post-Chefs Zumwinkel, sondern um Grundsätzliches. „Bei allem politisch üblichen Populismus der Politiker sollte doch klar sein, dass es Rechtsstaat und nicht Empfindungsstaat heißt“, so von Schirach. „Herr Zumwinkel ist mir recht gleichgültig, er ist nicht mein Mandant. Ganz und gar nicht gleichgültig ist mir jedoch die Dreistigkeit, mit der er im Rahmen eines Strafverfahrens vorgeführt und so die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten wird.“ Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel als „unausweichlich“ bezeichnete Rücktritt Zumwinkels sei daher eine alberne Äußerung gewesen, kritisiert von Schirach.
Quelle : www.msn.de

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